29 July 2025
Statement zu rassistischen Entwicklungen in Magdeburg seit dem Anschlag am 20.12.25: Offener Brief der Seebrücke Magdeburg an die Stadt Magdeburg

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin Simone Borris,

sehr geehrte Frau Innenministerin von Sachsen-Anhalt Tamara Zieschang,

sehr geehrter Herr Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff,

liebe Stadtgesellschaft Magdeburgs,

seit dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am 20. Dezember ist unsere Stadt eine andere. Unsere Gedanken sind bei den Betroffenen und ihren Familien und Freund*innen und wir möchten unser Mitgefühl und unsere volle Solidarität mit ihnen ausdrücken. Allen Verletzten wünschen wir bestmögliche Genesung. In den Stunden nach dem Anschlag haben viele Menschen außerordentliches geleistet und vielen Menschen das Leben gerettet. Großen Respekt und Danke für die Rettenden in dieser Situation.

Während das eigentliche Ereignis in der medialen Berichterstattung in den Hintergrund rückt, bleiben rassistische Spekulationen über die Tatmotive präsent und werden gezielt genutzt, um diskriminierende Narrative zu stärken. Eine solche Verkürzung auf die Herkunft des Täters blendet strukturelle Zusammenhänge aus und verhindert eine sachliche, differenzierte Auseinandersetzung mit den tatsächlichen Ursachen. Denn die Tathintergründe sind nicht ausschließlich mit der Herkunft des Täters zu erklären. Die aktuelle Faktenlage sagt: Der wahre Tathintergrund ist komplex und war ein Anschlag auf eine Gesellschaft der Vielen.

Was nach der Tat in unserer Stadt bleibt, ist ein aggressives Klima – geprägt durch rassistische Hetze, rechte Ideologien und menschenfeindliche Narrative. Menschen mit Flucht- oder Migrationsgeschichte stehen im Fokus von Hass und Gewalt. Beispielsweise wurden am 21. Juli 2025 Kinder auf einem Spielplatz aus offen rassistischer Absicht von einem Auto angefahren. Diese Menschen, die Teil unserer Gesellschaft sind, unsere Stadt bereichern (z.B. als Rettende am Abend des Attentats) und hier ein Leben in Sicherheit und Würde führen wollen, werden zu Unrecht zur Zielscheibe.

Wir verurteilen die rassistischen Übergriffe und den Hass auf Menschen mit Migrationsgeschichte. Auch hier sind unsere Gedanken bei den Betroffenen und ihren Familien und Freund*innen, bei all denen, die sich seither in Magdeburg nicht mehr sicher fühlen. Seit den Anschlag entschließen sich zunehmend Betroffene die Stadt zu verlassen. Wir möchten unser Mitgefühl und unsere Solidarität allen Menschen aussprechen, die sich aus der Stadtgesellschaft ausgeschlossen und unerwünscht fühlen, obwohl sie essentieller Teil Magdeburgs sind.

Wir fordern von der Stadtgesellschaft, von politischen Verantwortungsträger*innen und von jeder einzelnen Person, Haltung zu zeigen und sich für eine offene und solidarische Gesellschaft einzusetzen. Es darf keinen Platz für Rassismus und menschenfeindliche Ideologien in Magdeburg und anderswo geben.

Unsere Forderungen:

• Solidarität mit den Betroffenen: Die Stimmen von Betroffenen sowohl des Anschlags als auch der Angriffe danach müssen stärker gehört werden. Wir fordern Begegnungen auf Augenhöhe und klare Zeichen der Solidarität, durch beispielsweise Ausbau psychosozialer Infrastruktur und Traumatherapieplätzen.

• Sichtbarer Schutz für Betroffene: Die Stadt Magdeburg muss sicherstellen, dass Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte sich sicher fühlen, indem Schutzbedürftige in öffentlichen Orten Hilfe bekommen. Darunter fällt auch eine differenzierte Beurteilung und Abwägung der Risiken, die aufgrund von rechten Versammlungen entstehen, wie beispielsweise gezielte und organisierte Gewalt gegen Menschen mit Migrationsgeschichte.

• Klare Positionierung gegen rechte Gewalt: Wir erwarten eine unmissverständliche Positionierung Aller gegen jede Form von Hass und Gewalt.

• Lückenlose und transparente Aufklärung des Attentats: Wir fordern von zuständigen Institutionen, dass die Aufklärung über Tathintergründe transparent für alle Menschen gemacht wird und die Wahrheiten hierüber in die Mitte der Berichterstattung rücken.

Wir wünschen uns für die gesamte Stadtgesellschaft, dass alle dieses kollektive Trauma zusammen aufarbeiten können, damit die Stadt wieder zur Ruhe kommen kann.

Dieses Recht haben auch die Betroffenen der rassistischen Übergriffe.

Setzt euch zusammen mit uns und den Erstunterzeichner*innen dafür ein und unterschreibt den offenen Brief, setzt ein Zeichen gegen Rassismus und für ein weltoffenes und lebenswertes Magdeburg. Für Alle.

In Solidarität,

Die Seebrücke Magdeburg,

Flüchtlingsrat Sachens-Anhalt,

Landesnetzwerk Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt (LAMSA) e.V.

Syrisch-Deutscher Kulturverein e.V. Magdeburg

Afghanische Fraueninitiative (AFIMA) Magdeburg e. V.

Kontakt

Seebrücke Magdeburg

[email protected]

243
signatures
198 vérifées
  1. Nicole Anger, Mitglied des Landtages und des Stadtrates, Die Linke, 39108 Magdeburg
  2. Gabriel Rücker, Aktivist, OVGUpride, Magdeburg
  3. Schwester Sora, Orden der Schwestern der Perpetuellen Indulgenz, Magdeburg
  4. Sofian Ahansal, Magdeburg
  5. Anna Kleine, Studentin, Magdeburg
  6. Philipp Kloss, Musikkombinat Magdeburg e.V., Magdeburg
  7. Julian König, Kaffeeröster, KRÖM Kaffeerösterei, Magdeburg
  8. Amke Sophie Rybak, Studentin, Magdeburg
  9. Annalena Palm, Magdeburg
  10. Hendrik Reese, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Otto-von-Guericke-Universität, Magdeburg
  11. Lena Sibbel, Studentin, Stendal
  12. Elias Kluth, Physiker, Otto-von-Guericke-Universität, Magdeburg
  13. Die Linke Magdeburg, Stadtverband DIE LINKE, Magdeburg
  14. Eicca Berentz, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Magdeburg
  15. David Zibold, Geschäftsführer, Basta // Wein:Sein GmbH, Magdeburg
  16. Markus Lippmann, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Hochschule Magdeburg-Stendal, Magdeburg
  17. Christos Lachanas, Fachschaftsrat der Fakultät für Informatik an der OvGU
  18. Pauline Pallmann, Magdeburg
  19. Imra Mantey, Aktivistin, Magdeburg
  20. Leo Kröger, Student, Ebstorf
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158 more
verified signatures
  1. Vici Schmidt, Studentin, Magdeburg
  2. Paul Schulz, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Otto von Guericke Universität, Magdeburg
  3. Johanna, Studentin, Magdeburg
  4. Adham Abtini, Student, Magdeburg
  5. Lucienne Rößler, Studentin, Hochschule Magdeburg-Stendal, Magdeburg
  6. Ayman ALBURKAN, Magdeburg
  7. Zoé Ochsendorf, Studentin, Magdeburh
  8. Marko Lifshits, Student, Magdeburg
  9. Robin Lauth, Physiker, Magdeburg
  10. Magdeboogie e. V., Magdeburg
  11. Mohammad Hassan, Logistik, Magdeburg
  12. Faisal, Student, Magdeburg
  13. FRIEDERIKE BOCK, Student, Magdeburg
  14. anonymous, Studentin, Otto-von-Guericke Universität
  15. Soraya Ahansal, Magdeburg
  16. Nils Hoymann, Student, OVGU, Magdeburg
  17. Charlotte Lucka, Studentin, Magdeburg
  18. Sary, 39326, Wolmirstedt
  19. Noor Jamaludeen, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Otto-von-Guericke-Universität, Magdeburg
  20. Teresa Scheibe-Ahansal, Magdeburg