20 November 2025
Gegen die unkritische Anwendung und Implementierung sog. Künstlicher Intelligenz (KI) in der deutschen Wissenschaft und im Hochschulalltag

Anm. Der folgende Text ist eine mit Erlaubnis erstellte, sinngemäße Übersetzung des offenen Briefs unserer niederländischen Kolleginnen der hier einsehbar ist und weiterhin unterzeichnet werden kann. Weiterführende Literatur kann ebenfalls dort gefunden werden: openletter.earth/open-letter-stop-the-uncritical-a...*

The following text is a translation of an open letter written by our Dutch colleagues that can you can read and still sign here. Resources/further reading can also be found there: openletter.earth/open-letter-stop-the-uncritical-a...

Mit diesem Brief positionieren wir uns offen gegen die unkritische, wie auch unreflektierte Anwendung und Implementierung sog. „künstlicher Intelligenz“ (KI) an deutschen Universitäten, Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen. Als Bildungseinrichtungen können wir es uns nicht leisten, dass KI von Studierenden, Mitarbeiter*innen und Hochschulleitungen unkritisch und unreflektiert eingesetzt wird.

Wir fordern ebenso die Reevaluation bestehender finanzieller Beziehungen zwischen deutschen Hochschulen bzw. Forschungseinrichtungen und KI Firmen. Die uneingeschränkte Einführung solcher Technologien in diesem Kontext widerspricht der derzeitigen Leitlinie der EU zu KI, dem „EU Artificial Intelligence Act“ (https://artificialintelligenceact.eu/)..)

KI untergräbt die Grundprinzipien unseres pädagogischen Auftrags und unserer wissenschaftlichen Integrität. Sie steht unabhängiger Forschung und Transparenz diametral entgegen. Und, wie inzwischen erwiesen ist, verschlechtert oder verhindert sie sogar grundlegende Lernprozesse und die Fähigkeit, kritisch zu Denken.

Als Akademiker*innen, und besonders als Hochschullehrende, haben wir die Verantwortung, unsere Studierenden auszubilden, ihnen grundlegendes Wissen und Kernkompetenzen zu vermitteln, und erbrachte Leistungen nicht einfach nur blind abzunicken und sie mit Abschlusszeugnissen in die (Arbeit)welt zu schicken. Unsere Pflicht als Lehrende ist es, kritisches Denken und intellektuelle Integrität zu kultivieren, und es ist nicht unsere Aufgabe, Betrug bzw. Plagiat zu fördern – geschweige denn, es zu normalisieren, dem selbstständigen Denken und eigenständigen wissenschaftlichen Arbeiten aktiv aus dem Weg zu gehen. Wissenschaftliche Ausbildung zielt nicht auf Effizienz ab, sondern darauf, die Fähigkeit zu entwickeln, Probleme und Fragestellungen selbst zu erkennen und zu lösen. Studierenden soll ein unterstützendes Umfeld und die Zeit gegeben werden, um mit Hilfe unserer Expertise, eigene Standpunkte zu entwickeln. Dieses Umfeld muss geschützt werden vor industrieller Vereinnahmung, und unsere (ohnehin immer knapper werdenden) finanziellen Mittel sollten auch nicht an kapitalistische Unternehmen fließen, die unsere Studierenden „deskillen“, also ihnen Fähigkeiten sogar aktiv nehmen.

Der Fachbegriff „künstliche Intelligenz“ ist außerdem im allgemeinen Sprachgebrauch oft falsch verwendet; seine absichtliche Unklarheit wird dazu vereinnahmt, die Interessen industrieller Vertreter voranzutreiben und wissenschaftliche Diskurse zu untergraben. Es ist daher unsere Aufgabe, diese sog. „KI“ zu entmystifizieren und deren Anwendung in Lehre, Forschung und Outreach kritisch zu betrachten.

KI kann wissenschaftliche Arbeit bestenfalls gut nachahmen, aber die dahintersteckende Technik ist grundlegend nicht an Wahrheitsfindung interessiert – sie spucken lediglich unkritische „Informationen“ aus. Dem Resultat fehlen oft ausreichende Quellenangaben, und es macht somit die Arbeit der Wissenschaftler*innen unsichtbar, deren Forschung hier verwendet wird. Im schlimmsten Fall sind die entstehenden Texte oder Bilder außerdem schlicht und einfach falsch bzw. irreführend. Beide Optionen sind für Forschung wie Lehre desaströs.

Der Hype um künstliche Intelligenzen wie chatbots, large language models (LLMs), und verwandte Technologien sind Produkte die die Industrie aus kapitalistischem Interesse auf den Markt wirft. Sie stehen den Prinzipien der Nachhaltigkeit, menschlicher Würde, Pädagogik, Datenschutz, wissenschaftlicher Integrität, und Demokratie diametral entgegen.

Diese Produkte existieren nicht zur Verbesserung der Fähigkeiten unserer Studierenden sondern zum Nutzen von Investoren und Großkonzernen. Dahinter steckt oft die Marketingstrategie, zu behaupten, Studierende seien faul oder es fehle Ihnen an wichtigen Skills. Wir weisen dies entschieden zurück und möchten auch unsere Studierenden gegenüber solch industrieller Einflussnahme ermächtigen.

Wir fordern daher:

Widerstand gegen die Einführung von KI in existierenden Software Ökosystem von Microsoft, OpenAI oder Apple. Es ist nicht in unserem Interesse, unsere Arbeitsabläufe davon beinträchtigen zu lassen und dass unsere Daten zum Training von Technologien benutzt werden, die uns nicht nur nicht helfen, sondern sogar aktiv schaden.

Ein komplettes Verbot der Nutzung von KI in unseren Vorlesungssälen und Seminarräumen bzw. bei der Erstellung studentischer Leistungen. Wir verbieten schließlich auch ghostwriting und Plagiat. Studierenden müssen davor geschützt werden, Aufgaben einfach abzugeben, oder sogar ihre Fähigkeiten komplett zu verlieren und stattdessen die Möglichkeit bekommen, sie selbst (weiter) zu entwickeln.

Keine weitere Normalisierung des KI Hypes und der Weiterverbreitung der Lügen, die die Konzerne über deren Funktionalität erzählen, um diese Technologien zu verkaufen. Keine KI kann die angepriesenen Fähigkeiten tatsächlich umsetzen und deren Implementierung riskiert, dass Studierende wie Forschende ethische, juristische und wissenschaftliche Grundprinzipien verletzen.

Stärkung der Wissenschaftsfreiheit gegen den Einzug der KI in unsere Räume, ob in Onlinesystemen die wir tagtäglich brauchen, oder in unsere Lehre und Forschung.

Unterstützung kritischer Positionen gegenüber KI und Technologie allgemein. Wissenschaftlicher Diskurs muss frei von industriellen Interessen, und Widerstand dagegen unbedingt eine Option bleiben.

Gezeichnet,

Dr. Sabrina Mittermeier, Universität Kassel

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  1. Sabrina Mittermeier, Universität Kassel
  2. Norbert Dichter, Retiree, Goethe's Green Office - Goethe Universität
  3. Prof. Dr. Dagmar Monett, Studiengangsleiterin Informatik, HWR Berlin, Berlin
  4. Stephan Mittermeier, Managing Director, PeCe-Software-Service GmbH, Munich
  5. Martina, Land Hessen
  6. DR. Klaus Holthausen, CEO, Data Science Consulting GmbH, Jena
  7. Friedhelm Bruns, Münster
  8. Nanna Kalkar, Translator, Esbjerg
  9. Jörg Wittkewitz, FernUniversität in Hagen
  10. Martina Mittermeier, Self employed, Na, Munich
  11. Sarah von Lewinski, Universität Kassel
  12. Jens Foell, Wissenschaftsjournalist, Heidelberg
  13. Dr. Kurt Erbach, Universität des Saarlandes
  14. Prof. Dr. Johann-Mattis List, Chair for Multilingual Computational Linguistics, University of Passau, Passau
  15. Kilian Evang, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf
  16. Dominik Hammes, Selbstständig, Ingolstadt
  17. Peter Tarras, Postdoc, LMU München, München
  18. Cornelis Holtkamp, EDV-Betreuer, Universität Bielefeld, Bielefeld
  19. Dr. Joachim Schlosser, Manager People Development, Engineering; formerly Professor, IGEL Technology, formerly IU International University, Augsburg
  20. Lucy Hollwedel, Illustrator, HfK-Alumni, Selfemployed, Bremen
  21. R, Bremen
  22. Nuria Laguna, linguist, Linkia Digital, Madrid
  23. anonymous
  24. Roxanne Phillips, KWI Essen
  25. Mara Simon, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Europa-Universität Flensburg, Berlin
  26. Jakob Christoph Heller, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Universität Halle, Halle
  27. Gerrit Kentner, Interim professor, Goethe-Universität Frankfurt / Humboldt-Universität zu Berlin, Frankfurt (Main) - Ostend
  28. Dr. Philip Kraut, Postdoc, Humboldt-Universität zu Berlin, Berlin
  29. Dr. Rebekka Rohleder, Europa-Universität Flensburg
  30. Carolin Rosenheimer, Drehbuchautorin, Berlin
  31. Maria Kökenhoff, Verwaltung, Freie Universität, Berlin
  32. Christoph Berger, Student, Uni Heidelberg, Heidelberg
  33. Jona Koch, Student:in, Philipps-Universität Marburg
  34. Christian Schmitz, Kürten
  35. Mira Weimar, Neuenbrook
  36. Ricky Wilhelmson, Autor, Selbstständig
  37. Ole Lorenzen, Datenbank-Koordinator, Potsdam
  38. Mario Sommer, Student, Universität Regensburg
  39. Andrew Plested, Professor, HU Berlin, Berlin
  40. Felix Finger, Teacher, Gymnasium Burgdorf, Hannover
  41. Friederike Schlaghecken, Associate Professor - Reader, University of Warwick, Coventry
  42. Romy Stelter, Bibliothekarin, TIB - Leibniz Information Centre for Science and Technology, Hannover
  43. Mirko Brüß, Rechtsanwalt, Brüß Law, Ahrensburg
  44. Hanspeter Rosenlechner
  45. Alexander Kouker, Librarian, Dublin City University, Dublin
  46. Rebecca Merkelbach, Juniorprofessorin, Universität Tübingen, Tübingen
  47. Thomas Seggewiß, Rechtsanwalt, Rechtsanwalt Thomas Seggewiß, Würzburg
  48. Stefan Lischewski, Komponist/Kulturanthropologe, freischaffend, Berlin
  49. Katia Schwerzmann, Vertr-Prof., Ruhr-Universität Bochum, Bochum
  50. Dr. James Harland, Rheinische Friedrich-Wilhelms Universitäts Bonn
  51. Philipp Steinkrüger, Ruhr-Universität Bochum, Köln
  52. Dr. Benjamin Angerer, Universität Bielefeld, Bielefeld
  53. Daniela Schneider, Lehrerin, Berlin
  54. Dr. Daniela Palacios, CEO, Kroger Writing GmbH, München
  55. Lea Hartwich, Universität Osnabrück
  56. Benjamin Beuerle, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Centre Marc Bloch, Berlin
  57. Natalia Scharfenberg, Lecturer–PhD candidate, Radboud University, Nijmegen
  58. P K, wissenschaftlicher Mitarbeiter, UKJ, Jena
  59. Lukas Fender, wiss. Mitarbeiter, Leibniz Universität Hannover, Hannover
  60. Jeremy Constantin Börker, PhD Candidate and junior lecturer, Radboud University, Nijmegen, Niederlande
  61. Christian Meesters, Computational Scientist, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Mainz
  62. Brian Butler, Cog scientist, Queen's University at Kingston, Glenburnie
  63. Bartosz Radomski, Postdoc, Ruhr-Universität Bochum, Bochum
  64. Daniela Egorov, Student, Ruhr-Universität Bochum, Bochum
  65. Manuel Buda, Cognitive Sciences Msc Student, Ruhr Universität Bochum, Bochum
  66. Carina Janz, Student, Uni Münster, Münster
  67. Bernhard Huss, Prof., Freie Universität, Berlin
  68. Dominic Schmitz, Postdoc, Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf
  69. Simon David Stein, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf
  70. Christina Zschieschang, Universität Bielefeld, Bielefeld
  71. Patricia Rubisch, PostDoc, Medical School Berlin, Berlin
  72. Dr. Dominik Straub, Research Associate, University of Cambridge, Cambridge
  73. PD Dr. Jennifer S. Henke, Vertretungsprofessorin, Leuphana Universität Lüneburg
  74. Judith Purkarthofer, Universität Duisburg-Essen, Essen
  75. Paul Franke, Postdoc, Marburg University, Marburg
  76. Gül Sen, Privatdozentin, Universität Bonn, Bonn
  77. Prof. Dr. Francis Seeck, Professur für Soziale Arbeit, TH Nürnberg, Nürnberg
  78. Stefanie Haacke-Werron, Universität Bielefeld, Bielefeld