18 June 2021

Positionspapier Zuwendungsrecht

DIE ZUWENDUNGSRECHTLICHEN RAHMENBEDINGUNGEN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND FÜR AUSLANDSPROJEKTE MÜSSEN DRINGEND REFORMIERT WERDEN

FÜR EINE BESSERE WIRKUNG UND EINE EFFEKTIVERE ZUSAMMENARBEIT VON REGIERUNG UND ZIVILGESELLSCHAFT


Eine Anpassung der zuwendungsrechtlichen Rahmenbedingungen für Auslandsprojekte ist dringend notwendig, um eine effektivere und wirkungsvollere Zusammenarbeit mit Zivilgesellschaften in der Außenpolitik zu ermöglichen. Eine solche Reform muss aus dem Deutschen Bundestag heraus angestoßen und gestaltet werden, insbesondere durch ein Zusammenwirken des Auswärtigen Ausschusses und des Haushaltsausschusses sowie unter Einbezug des Unterausschusses Zivile Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und vernetztes Handeln. Wir wenden uns daher an die Mitglieder dieser Ausschüsse und bitten Sie das Problem nicht nur zu erkennen, sondern sich der herausfordernden Aufgabe zu widmen, die zuwendungsrechtlichen Rahmenbedingungen endlich spezifisch für Auslandsprojekte anzupassen, insbesondere für Konflikt- und Transformationsregionen.

Wir zivilgesellschaftlichen Organisationen sehen uns in einer komplementären Rolle zur staatlichen Außenpolitik, die wir mit einem hohen Innovationsgehalt und viel Engagement ausfüllen. Wir haben in der Vergangenheit bewiesen, dass wir wirkungsvolle Projekte umsetzen können, auch in Bereichen wo staatliche Akteure kaum vordringen können. Der rechtliche Rahmen unserer Arbeit, das Zuwendungsrecht und dessen Anwendung durch das Auswärtige Amt, stellt uns jedoch vor substantielle Herausforderungen.

Das deutsche Zuwendungsrecht wurde grundsätzlich nicht für die Förderung von Maßnahmen im Ausland entwickelt. Es ist in der jetzigen Form und Auslegung für Förderungen im Ausland, insbesondere in Konflikt- und Transformationsregionen, nicht geeignet, nicht effektiv und in einer bestmöglichen Wirkung oft ein Hindernis.

Deutsche und internationale Akteure weisen zunehmend auf die Diskrepanz zwischen den einerseits formulierten außenpolitischen Ansprüchen und Grundsätzen (u.a. Beiträge zu „Deutschlands Rolle in der Welt“, diversen Leitlinien und ressortgemeinsamen Strategien) und andererseits, der Notwendigkeit die passenden Rahmenbedingungen für effektivere Maßnahmen im Ausland zu schaffen, hin.

In der Vergangenheit wurden die Probleme und Defizite des Zuwendungsrechts teilweise durch eine den Umständen angepasste Auslegung und Ausnutzung von Ermessensspielräumen kompensiert. In den letzten Jahren beobachten wir jedoch eine engere Auslegung. Nicht zuletzt dadurch haben sich die Rahmenbedingungen für die Mittelempfänger in den letzten Jahren sukzessive verschlechtert. Insbesondere sind die Verwaltungsvorgaben und Risiken für die Mittelempfänger deutlich gestiegen. Auch die weiterhin überwiegende Form der Kalenderjahresförderung in der außenpolitischen Projektförderung steht dem Charakter und den Bedürfnissen von Prozessen in Konflikt- und Transformationsregionen entgegen.

Gleichzeitig sind die Ansprüche an die Dokumentation von Projektfortschritten und Wirkungsnachweisen ebenfalls gestiegen. Wir sind überzeugt von der Notwendigkeit, dass die Vergabe von öffentlichen Mitteln und deren Verwendung durch Organisationen der Zivilgesellschaft sorgfältig geprüft werden sollten. Allerdings haben die Rahmenbedingungen für Auslandsprojekte des Auswärtigen Amts und deren zunehmend engere Auslegungen dazu geführt, dass sich diese vom Grundsatz der Wirtschaftlichkeit (§ 7 BHO) zunehmend entfernen und die intendierte Wirkung im Ausland substanziell beeinträchtigt wird.


Dringend notwendige Schritte sind:

A) Verbesserungen im Rahmen der bereits bestehenden haushaltsrechtlichen Möglichkeiten werden kurz- bis mittelfristig umgesetzt, unter anderem aber nicht ausschließlich:

  1. Das Bericht- und Dokumentationswesen sollte sich nicht auf kleinteilige Aktivitätenberichte beschränken, sondern - entsprechend der Bundeshaushaltsordnung (BHO) - vor allem auf Wirkungen fokussieren, um so angemessene und relevante sachliche Rechenschaft zu ermöglichen.

2. Mehrjährige Förderungen sollten durch ausreichende Verpflichtungsermächtigungen gedeckt sein, um so mehrjährige Bewilligungen und damit eine verlässliche Projektdurchführung zu ermöglichen.

3. Die Mittelverausgabungsfrist sollte durch eine generelle Einführung der 4-Monatsfrist für Länder außerhalb des SEPA-Raumes den Verhältnissen vor Ort angepasst werden.

4. Die hohen Kosten, die durch aufwändige Projektplanung, Partnerpflege etc. bei den Trägerorganisationen entstehen, sollten durch eine Verwaltungsausgabenpauschale in Höhe von 8-15% mit gefördert werden.

5. Die Finanzierung von Vor- und Nachbereitung wie Erkundungsstudien und Projekt- und Programmevaluationen sollte regelmäßig eingeplant werden.

6. Es sollten alle für die Durchführung von Projekten notwendigen Ausgaben, insbesondere auch Kosten für Sicherheitsmaßnahmen, Versicherungen, und psychosoziale Unterstützung aller Projektbeteiligten anerkannt werden.

B) Die zuwendungsrechtlichen Rahmenbedingungen für Auslandsprojekte insgesamt werden durch den Gesetzgeber auf den Prüfstand gestellt. Grundlage muss eine ausführliche Analyse sein, die sowohl die Prinzipien des Haushaltsrechts als auch die Kontexte und Bedürfnisse der Projektarbeit im Ausland einbezieht, insbesondere in Konflikt- und Transformationsregionen. Ziel sollte es sein, die Schwachstellen des bestehenden Systems durch Änderungen zu überwinden.


Nicht nur wir Mittelempfänger, sondern auch viele Personen und Referate im Auswärtigen Amt sind davon überzeugt, dass an den Sonderkontext Konflikt- und Transformationsgebiete angepasste rechtliche Rahmenbedingungen sowohl die Wirtschaftlichkeit als auch die Wirkung gleichzeitig erhöhen können.

Prinzipiell ist eine weitere Entwicklung weg von zu starren Vorgaben und Kontrollen hin zu einem gemeinsamen Austausch über Erfahrungen und wechselseitigem Lernen zwischen Gebern und Durchführern erstrebenswert - ein Fokus auf Friedensdividende statt auf Zinsrückzahlungen. Bei der Vergabe von Mitteln sollte grundsätzlich eine Kontextangepasstheit von Maßnahmen sowie eine Koordinierung und ein Austausch zwischen Durchführern und Gebern angestrebt werden.

Wir arbeiten auch mit und für Außenministerien anderer Staaten, die bereits effektivere Rahmenbedingen und einen deutlichen Charakter des Zusammenwirkens bei Projektförderungen im Ausland geschaffen haben. Deutschland kann und muss sich in diesem Bereich innerhalb der 2021 neu beginnenden Legislatur besser aufstellen.

Die unterzeichnenden Organisationen und Einzelpersonen aus dem In- und Ausland arbeiten u.a. mit Fördermitteln vom Auswärtigen Amt, schließen sich den Grundgedanken und Forderungen dieses Positionspapiers an und bringen sich gerne in einem Prozess zur Verbesserung der zuwendungsrechtlichen Rahmenbedingungen ein.
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signatures
43 verified
  1. Andreas Muckenfuß, Director, CRISP, Berlin
  2. Annegret Wulff, Geschäftsführerin, MitOst, Berlin
  3. Cornelius Ochmann, Politikwissenschaftler, Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit, Berlin
  4. Dr. Inga Luther, Geschäftsführung, OWEN e.V., Berlin
  5. Larissa Kunze, Programmleitung, AMCHA Deutschland, Berlin
  6. Hannah Reich, Professor, FHWS, Würzburg
  7. Lisa Mends, Research assistant, University of Applied Sciences Würzburg-Schweinfurt, Würzburg
  8. Helga Tempel, teacher, ForumZFD, 22926 Ahrensburg
  9. Gudrun Haas, München
  10. Irene Thiede, Head of Finance and Administration, civity Management Consultants, Berlin
  11. Amin Louden, Mediator, Facilitator, Berlin
  12. Simone Ceresa, Programme Manager CSSP, CSSP, Milano
  13. Johnny West, Director, OpenOil UG, Berlin
  14. Anikó Bakonyi & Nikola Mokrović, Co-Chairs of the Board, EU-Russia Civil Society Forum e.V., Berlin
  15. Stefan Melle, Ex. Director, DRA e.V., Berlin
  16. matthias jochmann, n-ost, berlin
  17. Stefanie Schiffer, Geschäftsführerin, Europäischer Austausch gGmbH, Berlin
  18. Werner Eggert, Director, Interlink Academy for International Dialog and Journalism, Hamburg
  19. Wolfram Frommlet, journalist, author, Ravensburg
  20. Jasmin Falk, Artist, München
  21. Jérôme William Bationo, Media consultant, MICT, Osnabrück
  22. Dr.Herbert Bronnenmayer, Physician, MiakWadang - Verein zur Entwicklungsförderung, Micheldorf i.Oberösterreich
  23. Manfred Ewel, Cultural manager, ex Goethe Institut, freelance writer, Weingarten
  24. Dominik Lehnert, Founder & Senior Advisor, Xchange Perspectives e.V., Bingen, Hitzkofen
  25. Frank Domhan, Founding Director, WELTFILME, Berlin
  26. Alexander Pfeuffer, Founding Director, WELTFILME, Berlin
  27. Dr. Birgit Laubach, executive board, elbarlament e.V., Berlin
  28. Sebastian Bloching, Managing Director, elbarlament GmbH, Berlin
  29. David Quin, Managing Director, Thomson Media, Berlin
  30. Tiemo Ehmke, board member, icebauhaus e.V., Weimar
  31. Ulrich Ludat, artist, uli.l (arts) group, Saarbrücken
  32. Laura Meyer, Director of Finance, Democracy Reporting International gGmbH, Berlin
  33. Hanno Gundert, Managing Director, n-ost, Berlin
  34. Stephen Kovats, Co-Director, r0g_agency for open culture and critical transformation gGmbH, Berlin
  35. Klaas Glenewinkel, Director, MiCT - Media in Cooperation and Transition, Berlin
  36. Torge Kübler, Senior Adviser, Conducive Space for Peace, Tel Aviv
  37. Jan Lucas, Project Manager, CRISP, Berlin
  38. Dirk Splinter, Dircetor, inmedio peace consult ggmbh, Berlin
  39. Manuela Mangold, Member of Board of Directors, CSSP - Berlin Center for Integrative Mediation e.V., Berlin
  40. Christoph Lüttmann, Managing Director, CSSP Berlin Center for Integrative Mediation, Berlin
  41. Michael Gleich, Managing Director, Culture Counts Foundation gGmbH, Berlin
  42. Prof. Dr. Christian Schwarz-Schilling, Bundesminister a. D., Hoher Repräsentant für Bosnien-Herzegowina a.D., Berlin
  43. Florian Dunkel, Director, CRISP, Berlin
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